Ägypten - ein Geschenk des Nil

Der Großteil der Bevölkerung lebte auf dem Land als Bauern und die Menschen stellten sich das Jenseits als fruchtbare Landschaft vor, wo die Toten säten, ernteten und auf die Jagd gingen. Auf der Reise ins Paradies sollten dem Verstorbenen die Grabtexte mit genauen Anweisungen weiterhelfen. Im mittleren Reich nannte man diese Texte "Das Buch der zwei Wege" und wurde auf die Innenseite der Särge gemalt. Um ihre Reise in die Unterwelt zu erleichtern, enthielt das "Totenbuch" des Neuen Reichs Zaubersprüche, um die Gestalt der Toten zu verändern. Diese Grabtexte enthielten verschiedene Vorstellungen vom Leben im Paradies. So konnten die Verstorbenen mit Osiris in der Unterwelt weilen, den Sonnengott Re auf seiner Fahrt über den Himmel mit der "Barke der Millionen" begleiten, oder zum Himmel als einer der unvergänglichen Sterne aufsteigen. Später verschmelzen die Mythen der beiden Götter Osiris und Re miteinander und die beiden Götter treffen sich bei der Reise der Sonne durch die Nacht in der Unterwelt.

Re ist das, der in Osiris eingegangen ist,
beim Erscheinen des Herrn der Verklärten, der Westgötter.
Du bist der einzigartige, der Geheimnisvolle der Unterwelt,
der abgeschirmte Ba im Westen,
WENNEFER, der immer und ewig lebt.

(Spruch 180) des Totenbuchs
nachzulesen in "Das Totenbuch der Ägypter" vom Artemis Verlag

Typisch für das tolerante Glaubenssystem der alten Ägypter waren die verschiedenen Schöpfungsmythen, und auch die Ziele die die Toten (Mumien) wählen konnten.

Mein Haar ist Nun,
Mein Gesicht ist Re.
Meine Augen sind Hathor,
Meine Ohren sind Upuaut.
Meine Nase ist der Gebieter von Letopolis,
meine Lippen sind Anubis.
Meine Zähne sind Selkis,
mein Nacken ist die göttliche Isis.
Meine Arme sind der Ba von Mendes,
meine Brust ist Neith, die Herrin von Sais.

Ausschnitt aus der Gliedervergottung im Totenbuch des Neuen Reichs (Spruch 42) nachzulesen in "Das Totenbuch der Ägypter " vom Artemis Verlag

Die Ägypter glaubten an ein Universum, von den Göttern geschaffen und gelenkt, an einen Ort der Harmonie und Wahrheit - Eigenschaften, die die Göttin "Ma´at" verkörperte.

Als Abbild Ägyptens stellten sich die Menschen damals das Jenseits vor. Einen Ort an dem es weder Hunger noch Krankheiten gab, wo das Getreide in riesigen Mengen gedieh und ohne Mühen und Plagen geerntet werden konnte. Die reale Wirklichkeit sah leider ganz anders aus, sie mussten sich die reichen Gaben des Nils hart erarbeiten. (siehe Zeichnungen Buch Das Grab des Nacht, Beamtengrab der 18. Dyn. in Theben West). Wenn im Sommer der Nil das Land überschwemmt und auf den Feldern schwarzen Schlamm hinterlassen hatte, konnten die Bauern im Herbst Gerste und Weizen aussäen und neue Bewässerungsgräben anlegen, um neues Land urbar zu machen. Der Großteil der Bevölkerung war zwar in der Landwirtschaft und Nahrungs-mittelproduktion beschäftigt, doch gab es auch viele Handwerker wie Steinmetze, Töpfer, Weber, Zimmerleute, Metallarbeiter, die großartige Bauwerke und Kunst-gegenstände schufen.

Eine der wichtigsten Inspirationen der Künstler dieser Zeit war die Natur selbst. Obwohl strengen Konventionen unterlegen, gelang den Künstlern die Lebenskraft von Tieren wie Vögeln und Fischen, ebenso wie von Pflanzen, wie Papyrusstauden oder Lotosblüten darzustellen. Den Glauben an die Erneuerung des Lebens, spiegeln diese Motive wieder. Verschiedene Darstellung von Tieren und Pflanzen sollten die Lebensenergie übertragen, die sie symbolisierten. So zum Beispiel der Skarabäus und der Tilapiafisch, von denen man glaubte sie könnten sich selbst zeugen. Auf dem berühmten Fries" Die Gänse aus Meidun" waren die Symbole der Götter Geb und Amun dargestellt. Durch Papyrusstauden und Lotosblüten wurden die lebensspendenden Eigenschaften des Nils dargestellt, die Symbole für Ober- und Unterägypten.

Die höchsten Privilegien zu dieser Zeit, genoss allerdings der Berufszweig der Schreiber. Sie verfügten über hohes Ansehen und Autorität, waren von den Steuern befreit, so das sich viele Beamte als Schreiber im typischen Schneidersitz mit der Papyrusrolle im Schoß und der Rohrfeder in der Hand darstellen ließen. Ausgebildet wurde dieser Beruf in den Schulen die dem Tempel angegliedert waren. Eine lange und mühevolle Ausbildungszeit lag vor dem Schüler, um die äußerst komplexe Hieroglyphenschrift zu erlernen. Doch sobald diese Lehrzeit um war, konnte der Schreiber bis in die höchsten Ämter im königlichen Palast aufsteigen, wenn er dem Adel des Landes angehörte. Zur Zeit des mittleren Reichs in der "Satire vom Handwerk" gibt ein Vater seinem Sohn den Ratschlag, ein Schreiber zu werden mit folgenden Worten:

Es gibt keinen Beruf ohne Vorgesetzten, außer dem des Schreibers; er ist sein eigener Herr. Wenn du also schreiben kannst, wird es dir besser gehen als in jedem anderen Beruf!

Text von Gabriele Schwarz